Umsatzsteuerliche Behandlung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen

Mit dem „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 11. Dezember 2018, dem so genannten „Jahressteuergesetz 2018“, hatte der deutsche Gesetzgeber die Regelungen der europäischen Gutschein-Richtlinie vom 27. Juni 2016 in das nationale Umsatzsteuergesetz (UStG) übernommen. Jetzt hat das Bundesfinanzministerium (BMF) Details zur Anwendung der neuen Regeln veröffentlicht.

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind erstmals auf Gutscheine anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 ausgestellt werden. Es gibt allerdings eine Übergangsregelung. Es wird – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn ab dem 1. Januar 2019 und vor dem 2. Februar 2021 ausgestellte Gutscheine von den Beteiligten nicht entsprechend den Vorgaben der aktuellen Anweisung des BMF behandelt worden sind.

Ziel ist eine einheitliche steuerliche Behandlung von im Binnenmarkt gehandelten Gutscheinen

Gutscheine nehmen im stationären Handel – wie im Online-Vertrieb – eine bedeutende Position ein. Mit den neuen Vorschriften soll zukünftig eine einheitliche steuerliche Behandlung von im Binnenmarkt gehandelten Gutscheinen gewährleistet werden. Die Gutschein-Richtlinie soll insbesondere der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sowie der Vermeidung der Doppel- oder Nichtbesteuerung dienen. Die Vorschriften sollen aber nur Gutscheine betreffen, die zur Einlösung gegen Gegenstände oder Dienstleistungen verwendet werden können.

Bei Gutscheinen wurde bisher im Umsatzsteuerrecht zwischen Wertgutscheinen einerseits und Waren- oder Sachgutscheinen andererseits unterschieden. Während Wertgutscheine über einen bestimmten Nennbetrag bei dem ausstellenden Händler gegen eine beliebige Ware oder Dienstleistung eingetauscht werden konnten, bezogen sich Waren- oder Sachgutscheine auf eine konkret bezeichnete Ware oder Dienstleistung.

Die Ausgabe eines Wertgutscheins wurde lediglich als Tausch von Zahlungsmitteln behandelt und stellte selbst keine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne dar. Die Umsatzsteuer entstand erst im Fall der Einlösung des Wertgutscheins und damit bei der Ausführung des konkreten Umsatzes.

Bei Waren- oder Sachgutscheinen ist der Bezug zu der im Gutschein bezeichneten Leistung bereits bei Ausgabe des Gutscheins gegeben. Daher stellte der bei dem Erwerb eines Warengutscheins gezahlte Betrag eine Anzahlung auf die bezeichnete Leistung dar, die der Besteuerung unterlag.

Nach der Neuregelung ist das entscheidende Abgrenzungsmerkmal, ob bei dem Gutschein die Verpflichtung besteht, ihn als Gegenleistung – ganz oder teilweise anstelle einer regulären Zahlung – für eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von sonstigen Leistungen anzunehmen. Das deutsche Gesetz sieht ebenso wie die Gutschein-Richtlinie der EU per Definition Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine vor.

Definition und Abgrenzung von Gutscheinen

Gutscheine können körperlicher Art sein (zum Beispiel Papierdokumente oder Plastikkarten) oder in elektronischer Form bestehen. Ein Gutschein kann auch dann vorliegen, wenn der auf dem Gutschein aufgedruckte Nennwert nicht zur vollständigen Begleichung der Leistung ausreicht und der Gutscheininhaber im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Gutscheins eine Zuzahlung leisten muss.

Insbesondere die Gutscheine, die den Inhaber nur zu einem Preisnachlass oder einer Preiserstattung berechtigen, aber nicht das Recht verleihen, solche Gegenstände oder Dienstleistungen zu erhalten, sind von den neuen Regelungen nicht betroffen. Briefmarken, Fahrscheine, Eintrittskarten für Kinos und Museen sowie vergleichbare Instrumente fallen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich, da in diesen Fällen bereits über die bloße Annahmeverpflichtung hinausgehende Ansprüche bestehen und es sich hierbei vorrangig um Zahlungsnachweise handelt.

Kann ein Zahlungsinstrument jederzeit und voraussetzungslos gegen den ursprünglich gezahlten beziehungsweise den noch nicht verwendeten Betrag zurückgetauscht werden, ist von einer Guthabenkarte im Unterschied zu einer Gutscheinkarte und damit von einem bloßen Zahlungsmittel auszugehen. Gutscheine für Warenproben oder Muster lösen grundsätzlich kein Entgelt aus und stellen ebenfalls keinen Gutschein dar.

Einzweck-Gutscheine

Ein Einzweck-Gutschein ist dadurch gekennzeichnet, dass der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt, sowie die geschuldete Umsatzsteuer, bei dessen Ausgabe feststehen. Für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins ist die Identität des leistenden Unternehmers anzugeben sowie die Leistung dahingehend zu konkretisieren, dass der steuerberechtigte Mitgliedstaat und der auf die Leistung entfallende Steuersatz – und damit der zutreffende Steuerbetrag – mit Sicherheit bestimmt werden können. Zudem muss zur zutreffenden Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung feststehen, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und die Leistung für sein Unternehmen bezieht.

Der Leistungsgegenstand muss für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins zumindest im Hinblick auf die Gattung auf dem Gutschein angegeben sein. Unter Gattung ist in diesem Zusammenhang die Gesamtheit von Arten von Waren oder sonstigen Leistungen zu verstehen, die in ihren wesentlichen Eigenschaften derart übereinstimmen, dass hieraus der zutreffende Steuersatz eindeutig bestimmbar ist.

Beispiel: Eine Parfümerie mit mehreren Filialen in Deutschland gibt einen Gutschein zur Einlösung gegen alle im Sortiment befindlichen Parfümartikel im Wert von 20 Euro an einen Kunden für 20 Euro aus. Der Gutschein ist in einer beliebigen Filiale der Parfümerie in Deutschland einlösbar. Es handelt sich um einen Einzweck-Gutschein. Der Leistungsort (nämlich Deutschland) ist hinreichend bestimmt. Somit kann die geschuldete Umsatzsteuer bei der Ausgabe des Gutscheins ermittelt werden.

Der Gutschein soll vom Aussteller sichtbar als Einzweck-Gutschein gekennzeichnet werden. Grundlage dieser Kennzeichnung ist die rechtliche Einordnung des Gutscheins durch den leistenden Unternehmer. Auf die rechtliche Einordnung und die darauf basierende Kennzeichnung dürfen der Aussteller des Gutscheins sowie die nachfolgenden Unternehmer der Leistungskette vertrauen. Dies gilt nicht, soweit die Unternehmer der Leistungskette Kenntnis hatten oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hätten Kenntnis haben müssen, dass die rechtliche Einordnung beziehungsweise die Kennzeichnung des Gutscheins als Einzweck-Gutschein zu Unrecht erfolgt ist.

Es kann sich auch dann um einen Einzweck-Gutschein handeln, wenn der Gutschein zum Bezug mehrerer, genau bezeichneter Einzelleistungen berechtigt. In diesen Fällen ist der Gesamtbetrag im jeweiligen Verhältnis der Einzelleistungen aufzuteilen.

Wichtig: Die Umsatzsteuer für die durch den Einzweck-Gutschein geschuldete Leistung entsteht bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins. Wird ein Gutschein vor der Ausgabe an einen anderen Unternehmer übertragen, entsteht die Umsatzsteuer insoweit im Übertragungszeitpunkt. Die spätere Einlösung des Gutscheins, also die tatsächliche Lieferung beziehungsweise Leistungserbringung, ist für die umsatzsteuerliche Würdigung nicht mehr relevant, da diese nicht als unabhängiger Umsatz gilt. Sollte eine Zuzahlung durch den Gutscheininhaber bei Einlösung des Gutscheins erfolgen, so ist lediglich die bislang noch nicht versteuerte Differenz zu versteuern.

Mehrzweck-Gutscheine

Ein Mehrzweck-Gutschein liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins der Ort der Leistung und/oder der leistende Unternehmer und/oder der Leistungsgegenstand noch nicht endgültig feststehen und daher die geschuldete Umsatzsteuer nicht bestimmbar ist. Bei einem Mehrzweck-Gutschein gilt die Lieferung der Gegenstände oder die Erbringung der sonstigen Leistung erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Erbringung der Leistung als erbracht. Die Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins und alle bis dahin erfolgten Übertragungen sind steuerlich unbeachtlich.

Beispiel 1: Eine Parfümerie mit europaweiten Filialen veräußert einen Gutschein zur Einlösung gegen alle im Sortiment befindlichen Parfümerieartikel im Wert von 20 Euro an einen Kunden für 20 Euro. Der Gutschein kann in einer beliebigen Filiale eingelöst werden. In diesen Fällen ist im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins noch nicht abschließend klar, in welchem Mitgliedstaat der Gutschein eingelöst wird. Demzufolge steht die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Es handelt sich um einen Mehrzweck-Gutschein.

Es handelt sich insbesondere auch dann um einen Mehrzweck-Gutschein, wenn sich der Gutschein gegen Leistungen eintauschen lässt, die dem ermäßigten oder dem Regelsteuersatz unterliegen. In diesen Fällen lässt sich die geschuldete Umsatzsteuer zum Zeitpunkt der Ausgabe noch nicht abschließend bestimmen.

Beispiel 2: Ein Kunde erwirbt in einem Kaufhaus in München im Rahmen einer Werbeaktion einen Gutschein im Wert von 50 Euro für 45 Euro. Der Gutschein berechtigt den Kunden, diesen sowohl in der Lebensmittel- als auch in der Haushaltsgeräteabteilung einzulösen. Es handelt sich um einen Mehrzweck-Gutschein, da sich zum Zeitpunkt der Gutscheinausgabe zwar der Leistungsort (München), nicht aber die geschuldete Umsatzsteuer bestimmen lässt.

Wie bei Einzweck-Gutscheinen gilt auch beim Mehrzweck-Gutschein Der Gutschein soll vom Aussteller sichtbar gekennzeichnet werden. Grundlage dieser Kennzeichnung ist die rechtliche Einordnung des Gutscheins durch den leistenden Unternehmer. Auf die rechtliche Einordnung und die darauf basierende Kennzeichnung dürfen der Aussteller des Gutscheins sowie die nachfolgenden übertragenden und der ausgebende Unternehmer der Leistungskette vertrauen. Dies gilt nicht, soweit die Unternehmer der Leistungskette Kenntnis hatten oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hätten Kenntnis haben müssen, dass die rechtliche Einordnung beziehungsweise die Kennzeichnung des Gutscheins als Mehrzweck-Gutschein zu Unrecht erfolgt ist.

Bei der unentgeltlichen Übertragung beziehungsweise Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Erbringung der Leistung bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen von einer unentgeltlichen Wertabgabe auszugehen. Dies gilt auch in dem Fall, in dem der leistende Unternehmer einen anderen Unternehmer mit der unentgeltlichen Ausgabe eines Gutscheins beauftragt.

Sollte ein Mehrzweck-Gutschein vom Gutscheininhaber nicht (innerhalb der Gültigkeitsdauer) eingelöst werden und somit verfallen, ergeben sich hieraus keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen, da bei einem Mehrzweck-Gutschein die tatsächliche Leistungserbringung durch den leistenden Unternehmer erst in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Gutschein eingelöst wird.

Stand: 20.01.2011