Tiergefahr und Tierhalterhaftung | AdvoGarant
Als Hundehalter kenne ich die Situation gut: mein Hund ist brav und „tut nix“, er ist sogar angeleint. Er kann aber nicht in Ruhe seinen Schnüffelgeschäften nachgehen, weil ein anderer Hund ihm seinen Frieden nicht gönnt. In Sekunden schlägt die traute Atmosphäre in Feindseligkeit um. Wenn es ganz schlimm kommt, dann fließt sogar Blut.
Angenommen, mein braver, angeleinter Hund ist nun verletzt und wird verarztet. Schnell steigt die Tierarztrechnung auf eine drei-, sogar vierstellige Summe. Ich reiche die Rechnung bei der Hundehalterhaftpflichtversicherung des „Gegners“ ein. Es wird zwar etwas erstattet, aber nur die Hälfte. Ich rufe dort an und reklamiere den Restbetrag. Man gibt mir zur Antwort, es sei die Tiergefahr meines braven, angeleinten Hundes mit 50% angerechnet worden, weil 2 Hunde aufeinandergetroffen sind, die zu gleichen Teilen haften.
Ich bin empört! Mein braver, angeleinter Hund ist doch keine Gefahr! Der andere war der Übeltäter und hat meinen verletzt!
Was ist überhaupt eine „Tiergefahr“?
Etwas, das ähnlich klingt und auch den gleichen Hintergrund hat, kennt jeder und akzeptiert es klaglos: die Betriebsgefahr des KFZ. Jeder weiß, wenn ich mit meinem Auto fahre, bewege ich mich in einer tonnenschweren Maschine aus Blech und Stahl mit hoher Geschwindigkeit durch die Gegend – das hört sich schon gefährlich an und ist es dann auch, wenn diese Maschine gegen etwas stößt und es deformiert. Es leuchtet jedem ein, dass für solch eine große „abstrakte“ Gefahr eine spezielle Regelung gelten muss.
Dieser Wunsch nach Regelung der besonderen Gefährdung ist aber älter als das Auto, denn schon vor dessen Erfindung gab es Dinge, Handlungen oder Einrichtungen, die zwar nützlich für alle waren, aber gleichzeitig sehr gefährlich. Um sie nicht zu verbieten, hat man sie unter der Voraussetzung erlaubt, dass der Nutzer gleichwohl für die Schäden einstehen soll, die sich aus gefährlichen Einrichtungen und Dingen ergeben.
So gibt es eine Gefährdungshaftung z.B. für die Eisenbahn, für elektrische und Gasleitungen und später auch für Kernkraftwerke.
Ursprung der Tierhalterhaftung
Und was hat das mit meinem Hund zu tun? Der ist weder ein Auto, noch ein Kernkraftwerk.
Zur Zeit der Niederschrift unseres Bürgerlichen Gesetzbuchs 1870 waren die Menschen auf die Dienste von Haustieren noch in größerem Maße angewiesen als heute. Damals war auch noch jedem bewusst, dass Pferde ausschlagen und Hunde beißen können, ebenso wie bei Kühen oder Ziegen die Hörner nicht zur Frisur gehören – allen war klar, dass von den Haustieren immer irgendeine Gefahr ausgehen kann. Aber man brauchte sie und hat deshalb dafür sorgen wollen, dass derjenige, der den Nutzen aus ihnen zog, dann auch dafür gerade steht, wenn etwas passiert.
Und hier kommt der Haushund ins Spiel. Er hat Zähne, springt an jemandem hoch, läuft trotz Rückrufs über die Straße, rauft mit Artgenossen, verhält sich für seine Art typisch. Wenn er das tut, dann geht von ihm die Gefährdung aus, für die ich haften muss, nur weil ich der Halter bin. Und diese Gefährdung reicht weit! Sogar das Vorübergehen eines Hundes, der nur droht und dadurch die alte Dame vor Schreck stolpern und stürzen lässt, reicht schon für die Haftung aus.
Wichtig bei zwei Parteien: Verschulden genau klären und aufschlüsseln!
Nun ist aber mein Hund bei seiner Auseinandersetzung doch von dem anderen Hund verletzt worden, obwohl er gar nichts gemacht hat und noch dazu angeleint war! Und doch soll der Schaden nur zur Hälfte beglichen werden, nur weil 2 Hunde dabei waren?
Hier empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung. Je nach Sachlage wird man mit der Versicherung verhandeln können, dass diese ihre Haftungsverteilung überdenkt und die Tierarztrechnung zu einem höheren Anteil begleicht. Dabei spielt es dann doch eine Rolle, dass mein Hund brav und angeleint war und der andere der eigentliche Übeltäter!
Stand: 01.06.2020